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Auf den Spuren von Bruce Lee: Karl Szardien.

Zeitungsartikel: "Karate hält Körper und Seele in Schuss"

Geldern/Moers. Mit fast 80 Jahren hat Karl Szardien seinen 4. Dan gemacht. Er weiß: Ohne Fleiß kein Preis. Er trainiert bei Okinawa Te in Geldern, aber auch zu Hause. Seit vier Jahrzehnten frönt er der Kampfkunst. Für ihn ist es der beste Sport der Welt. Von Bianca Mokwa

Weißer Anzug, schwarzer Gürtel, das ist die Lieblingskleidung des 79-jährigen Karl Szardien. In die schlüpft er mehrmals die Woche, unter anderem wenn er beim Gelderner Karate-Verein Okinawa Te trainiert.

Aus einer Papprolle zieht er ein Papier. "So sieht ein Dan-Diplom aus", sagt der Moerser zur Erklärung. Mit 79 Jahren hat er kürzlich den vierten Dan abgelegt. Zum Vergleich, sein Trainer mit A-Lizenz, Richard Froeschke hat den 5. Dan. "Ich bin der Zweite bei uns im Verein, der den 4. Dan hat und der Älteste", sagt Szardien lachend. Vier Jahrzehnte hält der Moerser der Sportart schon die Treue. Damals, als er noch Omnibusfahrer bei der NIAG war, da habe er vom Karatesport in der Zeitung gelesen und ist mit einem Kollegen zum Training nach Geldern gefahren.

"Damals habe ich in Sevelen gewohnt, das war ja keine Strecke", sagt Szardien. Los ging es am 1. April 1975. Sein erster Eintrag im Prüfungsbuch ist der 16. Mai 1975, da hat er die Prüfung für den 9. Kyu erfolgreich abgelegt. "Das ist der Weißgurt", sagt der Karateka. 1976/77 hat er in der Landesliga gekämpft. "Da floss noch richtig Blut", erinnert sich der Moerser. Er macht keinen Hehl daraus, dass Karate durchaus ein harter Sport ist. "Haben Sie schon einmal die Filme mit Bruce Lee gesehen? Da geht es richtig zur Sache", sagt er. "Aber es ist ruhiger geworden", stellt er fest. Mit den Kämpfen in der Landesliga war es schnell vorbei. Der Nachwuchs fehlte.

Heute fließt auch längst kein Blut mehr, wenn Karl Szardien auf die Matte geht. Es sind außerdem ganz andere Komponenten, die ihn zu der Überzeugung führen, dass es für ihn keinen besseren Sport als Karate gibt. "Man lernt Disziplin, Zielstrebigkeit, Respekt, Höflichkeit und Ehrlichkeit", zählt er die Tugenden auf, die durch den Karatesport vermittelt werden. Und mit der Zeit wachse auch das Selbstbewusstsein. Seine Kumpels haben ihn einmal gefragt, ob er nicht Angst hätte, wenn er nachts nach dem Training durch die dunklen Straßen gehe, sagt der Moerser. "Heute passiert ja soviel", sagt er und nickt wissend. "Aber meine Sinne sind zu 100 Prozent gespannt und das ist ja auch das Gute, dass man bei Karate auch Selbstverteidigung lernt", sagt der 79-Jährige. Zum Glück musste er seine Karatekünste aber noch nie in einer Notfallsituation beweisen. In der Vergangenheit musste sein Können nur vor dem Prüfungsrichter bestehen.

Aufgeregt sei er aber nicht gewesen, als er in die Prüfung für den 4. Dan ging. "Überhaupt nicht", sagt Szardien. "Ich kannte meine Techniken und ich wusste, wenn ich die knallhart mache, kann mir nichts passieren." Zu den Prüfungsaufgaben gehört es Katas, also bestimmte Bewegungsabläufe, zu zeigen. "Je höher der Dan-Grad, desto mehr Katas muss man können", erklärt der Karateka. So eine Kata besteht aus verschiedenen Bewegungen, aus diversen Drehungen, Fußwendungen und Öffnen oder Schließen der Fäuste. "Eine Kata, das sind 40 oder 50 Techniken, das ist Wahnsinn, aber das muss man können." Szardien nimmt die korrekte Ausführung der Bewegungen ernst. Deswegen geht er nicht nur zum Training, sondern übt auch zu Hause, im Wohnzimmer. "Trotzdem haben meine Frau und ich aber noch Zeit für uns", zerstreut er Gedanken, dass Sport sein Leben ist. Obwohl, sein Wochenplan ist schon straff. "Montag gehe ich in Venlo trainieren, Dienstag in Geldern, Mittwoch nach Straelen, Donnerstag wieder nach Geldern oder auch mal zum Moerser Turnverein. Die Jungs kann ich auch nicht im Stich lassen", sagt der 79-Jährige und schmunzelt. Freitag ist dann wieder fest als Trainingstag in Geldern eingeplant. "Das ist immer hartes Training für die Dan-Träger oder die Braungurte, die sich auf die Dan-Prüfung vorbereiten", erklärt Szardien.

Neben dem Training hat er noch zahlreiche Lehrgänge besucht. Die sind alle haargenau in seinem Buch eingetragen. Das wird gerne vor einer Dan-Prüfung mal durchgesehen und zeigt, wie ernst oder eben weniger ernsthaft jemand dem Karatesport nachgeht. Szardien hat immer nach dem Motto gelebt: "Der Weg ist das Ziel." Auf seinem Weg lagen zum Beispiel Lehrgänge mit dem Bundestrainer und Karate-Weltmeister Hideo Ochi. Eine Auszeichnung war es, als ein japanischer Trainer ihm in fremdländischen Schriftzeichen eine Unterschrift auf seinem Mitgliedsausweis des Deutschen Karate-Bundes gegeben hat. Aber auch die Fahne mit der geballten Faust, das Zeichen des Vereins Okinawa Te, hat zu Hause einen Ehrenplatz bekommen. Erhalten hat er die Fahne, als er mit 74 Jahren erfolgreich die Prüfung zum 3. Dan abgelegt hatte.

Er schlägt noch einmal sein Prüfungsbuch auf. Der 5. Dan ist noch frei. So richtig darüber nachgedacht, ob er den machen möchte, hat er noch nicht. "Bevor man eine Prüfung hat, muss man viel lernen. Das ist auch Stress", sagt Szardien. "Aber am Ende sagt man: Gut, dass ich es geschafft habe." Beim 5. Dan kämen noch neue Katas dabei. Er schaut genauer hin. "Ach ja, da ist noch eine, die ich lernen müsste." Und dann sind noch die vielen anderen, die er jeden Tag eine Stunde zu Hause übt, akribisch, damit er die genauen Bewegungsabläufe nicht vergisst. "Karate hält Körper und Geist in Schuss", sagt er lachend.

Und dann kommt sein Trainer ins Spiel, Richard Froeschke. "Ohne ihn könnten wir das gar nicht erreichen", sagt Szardien ernst. Denn als Trainer und Träger des 5. Dan gebe er den Sportlern, mit denen er trainiert den letzten Schliff. Ob das für Szardien der 5. Dan sein wird, das steht noch nicht fest. Sicher ist, dass der 79-Jährige noch viele Male in seinen frisch gebügelten weißen Anzug mit dem schwarzen Gürtel schlüpfen wird. "Bügeln, das mache ich selber", sagt der Karateka lachend. "Das mute ich meiner Frau nicht zu, das ist ja hartes Material." Hart, wie sein Lieblingssport.

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